Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! – diese Aufforderung Jesu gilt seinen Jüngern in einer Krisenzeit. Es ist die Abschiedsrede Jesu – vor seinem Tod. Gibt es eine größere Krise als in das eigene Sterben einzugehen?
Seit acht Wochen leben wir in einer weltweiten Krisenzeit. Corona-Krise. Sie wird in die Geschichte eingehen. Wie wir sie bestehen werden? Das wissen wir nicht. Denn wir stecken mittendrin.
Es geht in dieser Zeit auch um Todesangst – bei denen, die vom Virus befallen worden sind. Die meisten kommen gut durch. Aber nicht alle. Die Gefahr einer schweren Erkrankung mit Todesfolge ist da. Wie diese Gefahr zu bewerten ist, ist das Thema in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft – und auch in unserer Kirche.
Unter den zwischen Staat und Kirche vereinbarten Rahmenbedingungen feiern wir Gottesdienst. Feiern? Mit Abstand. Mit Angst? Mit dem Willen, Gemeinschaft zu erleben.
Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich – sagt Jesus auch uns in der aktuellen Krise.
Wir sind wieder zusammen. Dafür haben wir nicht nur das Herz, sondern auch den Verstand sprechen lassen. Wir sind zusammen als Glaubensgemeinschaft. Was ist das für ein Glaube, den wir teilen? Das mag sich jeder und jede selber fragen.
Ich antworte nun persönlich auf die Frage: Was ist das für ein Glaube ist, den ich in den vergangenen 8 Wochen erlebt habe?
Glaub an Gott und glaub an Jesus – sagt der Bibeltext. Ich meine, dass dieser Glaube sehr persönlich gelebt wird, dass es nicht den EINEN Glauben in der EINEN Kirche gibt, denn der Umgang mit dem Glauben in dieser Krisenzeit ist sehr unterschiedlich.
- Die einen hoffen auf ein Wunder: Gott möge das Virus besiegen.
- Die anderen beten gegen das Virus an.
- Die einen meinen, dass die Feier der Messe vor einer Ansteckung schütze.
- Die anderen sehen die Pandemie als Strafe Gottes für die Menschheit, die so lebt, als ob es eine zweite Erde gäbe, wenn die erste Erde verbraucht worden ist.
Was glaube ich selber?
Nichts von dem, was ich hier aufgezählt habe.Ich glaube, dass ich mich der Situation stellen muss, wie sie ist.Dass ich vorsichtig leben muss, um eine Infizierung möglichst zu verhindern.
- Dass ich aber nicht überängstlich sein will.
- Ich glaube, dass mein Leben mit allem, was geschieht, noch einmal getragen ist von dem, den wir „Gott“, oder „Jesus“ oder „hl. Geist“ nennen. Ich bin vor keiner Krankheit, vor keinem Unglück, vor keinem Schicksalsschlag sicher. Aber ich glaube, dass Gott da ist, nicht nur in einem Gottesdienst, in einem Sakrament, in der in seinem Namen versammelten Gruppe.
- Meine erste und letzte Hoffnung ist, dass ich irgendwie mit Gott verbunden bleibe. Immer.
Diese Verbindung lebt sichtbar auf,
- wenn ich bete und mein Leben, wie es ist, Gott anvertraue.
- Wenn ich an andere denke und andere an mich denken.
- Wenn ich Worte der Bibel nachlese und auf mich wirken lasse.
- Wenn ich Gottesdienst zusammen mit anderen erlebe – so wie jetzt. So auch notgedrungen über die Medien, wenn nichts anderes möglich ist.
Und wenn mich in den vergangenen Wochen etwas überzeugt hat vom Glauben an den Gott, der Mensch geworden ist, dann ist es die vielfältige Mitmenschlichkeit, die untereinander erfahren worden ist – über so viele Grenzen hinweg.
Für diese Mitmenschlichkeit in den Höhen und Tiefen des Lebens ist Jesus DAS Vorbild. Er bewirke, dass mein Herz sich nicht verwirre. Er mache es durch die Erzählungen der Bibel, durch das, was er getan hat mit Brot und Wein, durch seine liebevolle Hingabe an das Leben mit allen Konflikten, Auseinandersetzungen und Freuden.
Liebe Schwestern und Brüder, unser gesamtes Zusammenleben im Großen wie im Kleinen ist in einer schweren Krise – gesundheitlich, finanziell, wirtschaftlich. Menschliche Nähe, die wir brauchen, bleibt eingeschränkt. Wir bleiben aufeinander angewiesen in der Krise und nach der Krise – wenn es ein danach irgendwann geben wird.
Jesus hat gezeigt, was lebensnotwendige Gemeinschaft ist:
- Teilen des Brotes – also teilen von weltweiten Ressourcen.
- Worte zur Unterscheidung der Geister – also anständige Debatten um das, was in der Krise gegen die Krise zu tun ist.
- Aushalten sinnloser Kreuzeserfahrungen – also Niederlagen und Misserfolge im Kampf gegen das Virus anerkennen.
- Vom Tod auferweckt werden – also hoffen, dass kein Mensch im Tod ganz verloren geht und die Menschheit auf dieser Erde bleibt.
Georg Schröder im ersten Gottesdienst in Corona-Zeiten am 10. Mai 2020