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Gedanken zu den Evangelien

hier finden Sie die Predigtgedanken zu den Evangelien...

zum Nachlesen und, wenn Sie möchten, teilweise auch zum Nachhören!

Gedanken zum Evangelium am 13. Sonntag im Jahreskreis

Jesus berühren und von Jesus berührt werden (Mk 5, 21–43)

Wenn Sie wissen wollen, warum ich nach wie vor - trotz aller selbsterzeugten Kirchenkrisen - gerne Priester bin, dann kann ich gut antworten mit diesem Evangelium. Dieser Text, der zwei Wundererzählungen miteinander verschachtelt, berührt mich, weil hier der Seelsorger Jesus handelt. Er ist der Meister, der sich berühren lässt und der andere berührt. Diese Berührungen heilen eine Frau und ein Mädchen.

Wenn ich in einer Notlage bin, suche ich nach Jesus  -  wie die Frau, die endlich von ihrem Leiden befreit werden will durch die Berührung seines Gewandes. Wenn ich mich wie tot fühle, sozusagen am Boden liege und nicht weiter weiß, lasse ich mich ansprechen von Jesus  -  wie das tote Mädchen, das durch seine Worte und durch seine Berührung neu leben darf.

Als Priester habe ich den Auftrag, mich vom Leiden anderer ansprechen zu lassen und ihnen Worte der Ermutigung, der Selbsterkenntnis und der Heilung zuzusprechen, also Seelsorger zu sein. Ich darf außerdem in Zeichen, in Sakramenten diese Seelsorge Jesu unter uns darstellen. In all meinen unterschiedlichen Aufgaben und Ämtern habe ich mich immer zu fragen, ob ich mich von anderen berühren lasse und sie selber berühre  -  also Nähe zeige mit der Spiritualität Jesu, mit seiner Sinngebung, die ablesbar ist in der Heiligen Schrift  -  wie in diesem Text heute.

Weil ich immer wieder nach seiner Sinngebung suche und versuche sie zu tun, bin ich gerne Priester, denn jede mitmenschliche Begegnung hat die Chance zu einem Ereignis im Sinne Jesu zu werden, zur heilsamen Sinneserfahrung.

Übrigens ist das nicht einem Priester vorbehalten, sondern gehört zu allen seelsorglichen Berufen in der Kirche Jesu Christi  -  Gemeindereferentin, Diakon, Katechetin, Lehrerin usw.

Die sakramentale Darstellung der Nähe, der Berührbarkeit Jesu, ist aber ein spezifisch priesterlicher Auftrag. Das Sakramentale, also das verbindlich Zeichenhafte, macht es mir leicht, weil ich weiß, dass bei einer sakramentalen Handlung wesentlich ein anderer handelt, es also nicht von mir abhängig ist, wie die Berührung durch das Sakrament in den Menschen wirkt. Gleichwohl habe ich mich einzubringen mit meiner Person, mit meinem Glauben, mit meinem Willen. Das gelingt nicht immer. Da gibt es menschliche Defizite, die meine Umkehr einfordern immer wieder und jeden Tag neu.

Etwas von Jesus unter uns Menschen präsent werden zu lassen, ist Seelsorge, ist Menschensorge, die Heilung und Auferstehung mit sich bringen kann. Wir können füreinander und miteinander Seelsorger, Seelsorgerin sein. Berufe der Kirche sollen das immer wieder wachrufen, dass sich jeder Mensch auf den Weg zu Jesus machen kann, um ihn zu berühren oder von ihm berührt zu werden -  in einem Mitmenschen oder in einem Sakrament. Jeder und jede Tote mag von Jesu Geist berührt werden zu einer Neuschöpfung.

Kritische Fragen sind berechtigt, wenn ich so etwas sage. „Wie ist das denn mit der Auferstehung? Das geht ja so nicht. Und das mit der wunderbaren Heilung wohl auch nicht.“ Ja. Priester, Seelsorgerinnen können das nicht. Aber sie können anrühren und berühren mit Worten und Taten. Wir wecken keine Toten auf, aber mitmenschlich, liebevoll, hoffnungsvoll handeln, das können wir und das sollten wir. Wir sollten das Leben bezeugen, das Leben in Fülle, das ewige Leben, das hier und heute schon da ist. Hörbar und augenfällig wird dieses Zeugnis z.B. bei einer Beerdigung.

Der Anspruch ist hoch, das Leben in Fülle, das heile und ganze Leben unter uns Menschen zu bezeugen. Jesus war anspruchsvoll mit seiner Lehre vom guten und heilsamen Leben. Was er nicht mochte, waren Menschen, die immer wissen, was recht ist, wie z.B. die Leute im Haus des Synagogenvorstehers, die sagen: „Was bemüht ihr Jesus, den Meister noch? Das ist jetzt nicht mehr nötig. Das Mädchen ist gestorben.“

Jesus weist dieses Vorurteil zurück und entgegnet: „Das Kind schläft nur.“ Umgeben von den Eltern und seinen Vertrauten berührt Jesus das Mädchen und sagt: „Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ Sofort steht das Kind auf und geht umher. Bei diesen Heilungen ist Jesus selber berührt vom Glauben der Mitmenschen: Von der kranken Frau und vom Synagogenvorsteher, der ihn bittet, mitzukommen zu seinem kranken Kind.

Der Glaube der Mitchristen, Ihr Glaube liebe Schwestern und Brüder, und mein Glaube, also unser geteilter Glaube an die Präsenz Jesu durch Worte und Zeichen hier und heute  -  dieser Glaube lässt mich gerne Priester sein auch in einer Glaubensgemeinschaft, die sehr viele Probleme hat z.B. durch krankmachende Gesetze.

Dürfen wir mit diesem Evangelium einer Frau sagen: Du darfst von Jesu Geist nicht berührt werden durch eine Weihe?
Dürfen wir mit diesem Evangelium sagen: Weil deine Ehe gescheitert ist und du eine neue Ehe eingehst, darfst du dich nicht berühren lassen von Jesu Geist in der Kommunion?
Dürfen wir mit diesem Evangelium sagen: Weil ihr euch liebt als Mann und Mann oder als Frau und Frau lehnen wir eure Bitte ab, euch zu segnen?

Diese Fragen erzeugen in mir neue Fragen: Was ist das unter uns? Vertrauen wir nicht den Berührungen Jesu von damals? Erkennen wir nicht, dass Jesus, wenn es um das Heil von Menschen geht, Regeln durchbricht, Menschen berührt, die nicht berührt werden durften oder keine Chance hatten jemals geheilt zu werden? An unseren Regeln und Gesetzen verzweifele ich zuweilen. Auch wenn wir uns innerkirchlich bei den Lösungen der aktuellen Probleme, siehe Synodaler Weg, nicht wirklich auf breiter Basis näherkommen, anständig miteinander umgehen, das könnten wir. Wir könnten uns gegenseitig berühren lassen von den Problemen der Menschen.

Diese könnten gelöst, ja geheilt werden im Sinne Jesu, so meine Überzeugung, wenn wir den Glauben hätten, dass Jesu Gegenwart uns erfüllte mit der Heilung von Selbstgerechtigkeit, die immer weiß, was für andere gut ist, ohne diese anderen Menschen und deren berechtigten Fragen an sich herankommen zu lassen.

Jesus hat die bedürftigen, die glaubenden, die fragenden Menschen an sich herankommen lassen und sie berührt, angesprochen, aufgerichtet.

Genau das können wir immer wieder miteinander tun, wir, die wir uns in seinem Namen versammeln. Dieses Evangelium ist für mich Ansporn, solche Versammlungen unter uns wahr werden zu lassen  -  im Gottesdienst, in Gruppen, in persönlichen Treffen. Es geht darum, sich von Jesu Spiritualität berühren zu lassen. Das verändert uns selber  -  merkt ihr es?

Ich bin gerne Priester, weil ich in diesem Beruf die Frage nach Gott, nach Jesus, nach seinem Geist unter uns Menschen bei den verschiedensten Gelegenheiten stellen darf. Gerne stelle ich diese Frage unter uns und suche gemeinsam nach Antworten, die uns heilend berühren.

Wundersames kann dann geschehen, wie es jemand gedichtet hat:
dort
"wo ich mich klein mache und verbiege
wo ich den Blick verenge
mich in einsilbigkeit verliere und nicht vorwärts lebe
kommst du entgegen
legst hand an 
entkrümmst mich mit einem ja
zum leben hin mit neuer weite

unvermutet"

Jesus, Freund des Lebens  -  Unvermutet  (Stefan Schlager, Tedeum 06/2021/S. 267)

 

Ihr Pfarrer Georg Schröder
 

Wenn Sie den Text hören möchten, finden Sie hier die Audiodatei: (Gedanken zum 13. Sonntag i  JahrKr; Audio, 4 MB)

Gedanken zum Evangelium am 14. Sonntag im Jahreskreis

Gedanken zum Evangelium am 11. Sonntag im Jahreskreis

"Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn..."(Mk 4,26-34)

Vergleiche hinken – sagt man. Das stimmt wohl auch. Aber es gibt eben Dinge, die lassen sich mit unserem Wortschatz nicht umfassend beschreiben. Das gilt nicht nur für das Reich Gottes, das Jesus mit seinen Gleichnissen seinen Zuhörern näherbringt. Versuchen Sie einmal einem Menschen, der noch nie eine Erdbeere gesehen hat zu beschreiben, wie diese Frucht schmeckt. „Süß“ ist sie – ja. Aber das, was man sofort als Erdbeergeschmack erkennt - mit welchen Worten kann man es beschreiben?

Das Reich Gottes ist eben auch nur annäherungsweise zu beschreiben. In diesem Sonntagsevangelium hören wir zwei Gleichnisse. Auf einfache Weise machen sie uns zwei Aspekte des Reiches Gottes deutlich.

Das erste Gleichnis soll uns klarmachen, dass das Wachsen des Reiches Gottes kaum von uns abhängt. Der Mann macht nur zwei Dinge: er sät und erntet. Das Wachstum zwischen diesen beiden Punkten liegt nicht an ihm. Man könnte vielleicht noch Eggen, Düngen und wenn nötig Bewässern aufführen. Trotzdem: Der Halm wird nicht dadurch länger, weil der Mann an ihm zieht. So können auch wir die frohe Botschaft nur ausstreuen und ihr dann noch etwas Pflege zukommen lassen. Aber ob das Wort wächst, liegt nicht an uns, sondern das bewirkt Gott allein. Davon profitiert dann wieder der Mann, der gesät hat. Doch legt er zwar die Sichel an und erntet das reife Korn, doch Gott ist der Herr der Ernte und nicht dein, sondern sein ist was du gewinnst. Das sollte uns immer klar sein.

Das zweite Gleichnis handelt vom Senfkorn, das das kleinste der Samenkörner ist. Doch das Potential, das in ihm steckt, ist das eines Baumes. Die Größe des Samenkorns gibt also nicht unbedingt einen Hinweis auf die Größe des Gewächses, was daraus entsteht. So kann es auch beim Reich Gottes sein. Ein kleines Wort, ein kurzer Satz der frohen Botschaft kann einen Menschen dazu bringen, ein Werk zu beginnen, das sehr groß ist. Während die Wirkung großer geschliffener Reden eher bescheiden bleibt. Manchmal trifft man einen Menschen mit wenigen Worten direkt ins Herz, während große Erklärungen fruchtlos bleiben. 

Diese Bilder können und sollen unterschiedlich auf die Menschen wirken. Diejenigen, die meinen „Ohne mich läuft gar nichts“, sollen demütig werden und erkennen, dass das meiste allein Gottes Werk ist. Denen hingegen, die denken „Ich kann sowieso nichts tun“, soll es helfen zu erkennen, dass Gott auf die Mitarbeit des Menschen setzt und selbst kleinste Beiträge große Kraft haben können. 

So werden wir den Erdbeergeschmack wohl nie jemanden so beschreiben können, dass er ihn förmlich auf der Zunge spüren kann, aber es reicht schon, wenn unsere Beschreibung ihn neugierig macht, unbedingt einmal eine Erdbeere probieren zu wollen.

Ihr Ulrich Birkner, Pastor

Wenn Sie die Gedanken hören möchten, finden Sie hier die Audiodatei: Gedanken Evangelium 11. Sonntag im JahrKr (Audio, 5,6 MB) 

Gedanken zum Evangelium am 12. Sonntag im Jahreskreis

"Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? " (Mk 4, 35–41)

Im Evangelium nach Markus heißt es: "An jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn. Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, so dass es sich mit Wasser zu füllen begann. 
Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?"

Wenn ich dieses Evangelium höre, dann gehen bei mir immer ganz viele Gedanken durch den Kopf. So unwahrscheinlich es ist, dass ich irgendwann mal in einem Boot sitze und in einen Sturm gerate, so sehr merke ich, dass dieses Evangelium ganz eng an meinem Leben ist.

Stellen wir uns erstmal die Situation genau vor. Die Jünger und Jesus sind im Boot. Jesus ist erschöpft und schläft hinten. Die Fischer unter den Jüngern sind wahrscheinlich dabei, dass Boot zu lenken und die Anderen ruhen sich aus oder unterhalten sich. Dann kommt der plötzliche Wirbelsturm. Ich stelle mir vor, dass die Jünger erstmal völlig kopflos reagiert haben. Das kam so plötzlich, da denkt man nicht groß nach, da muss man sofort handeln. Das Schiff gerade halten, das Wasser aus dem Boot schüppen und nicht zuletzt haben wahrscheinlich einige einfach nur geschrien und Angst gehabt. Keiner hat im ersten Moment daran gedacht, dass Jesus mit im Boot sitzt. Den hat man in den ersten Schrecksekunden bestimmt vergessen. Davon steht in der Textstelle nichts, aber so stelle ich mir das vor.

Allein diese Situation kenne ich schon aus meinem Leben. Wenn etwas plötzlich und unerwartet in mein Leben tritt, reagiere ich oft auch erstmal kopflos, bin überfordert und habe Angst. Das ist mehr als einmal in meinem Leben schon so gewesen. Das ist auch einfach ganz tief in mir, vielleicht auch ein wenig in jedem Menschen, verankert. Der Überlebensmodus schaltet sich ein und erstmal denke ich, dass muss ich jetzt alleine schaffen.

Die beiden Punkte, die die Jünger im ersten Augenblick übersehen haben sind, dass sie nicht allein auf dem Boot sind, dass sie eine Gemeinschaft sind, die viel mehr ausrichten kann als ein einzelner Mensch. Es gibt immer Menschen, die mir helfen können, die mir in der jeweiligen Situation Gutes zusprechen können oder einfach besser das Boot im Sturm lenken können. In jedem Bereich, in Kirche und Gesellschaft und im ganz persönlichen Leben, gibt es diese Menschen, die für mich da sind, wenn ich sie brauche.
Der zweite und wichtigere Punkt: Sie gehören zu Jesus, er ist mit ihnen in dem Boot. Er ist da. Aber es braucht Hinwendung zu ihm. Wenn ich auf ihn blicke und wie die Jünger schreie: Jesus, schläfst du? Ich brauche deine Hilfe! Dann wird Jesus da sein. Das durfte ich schon so häufig erfahren. Ich durfte ihm all meine Sorgen an den Kopf werfen, auch mit den heftigen Worten, die gerade in mir sind in so einer Situation. 
Vielleicht muss ich mir im Nachhinein selbst die Frage stellen, ob mein Glaube, dass Jesus mir hilft, eigentlich groß genug ist oder ob die Zweifel überwiegen. Aber wenn ich mich ihm zuwende, dann öffnet sich mein Blick. Für die Menschen die helfen können, für die beste Reaktion in der Situation und dafür, dass Jesus immer mit dabei ist. Durch meine Hinwendung zu ihm wird es klarer in meinem Kopf und ich kann wichtige und richtige Schritte gehen, im Vertrauen, dass er mitgeht.

Das wünsche ich uns allen für unsere ganz persönlichen stürmischen Zeiten. Das wünsche ich uns aber gerade auch beim heftigen Sturm, in den die Kirche als Gemeinschaft gerade geraten ist. Lassen Sie uns Jesus Christus nicht aus dem Blick verlieren. Lassen sie uns nicht kopflos werden und so wenig hilfreich für eine Erneuerung und bessere Zukunft. Schauen wir neben der Aufarbeitung auch wieder auf das Gute der Gemeinschaft Kirche. Nicht zuletzt, schauen wir auf Jesus Christus, der uns trotz aller Fehler und Sünden liebt und das Haupt der Kirche ist.
 
Dann bestehen wir die Stürme des Lebens und wachsen im Vertrauen auf IHN.

 

Ihre Sabine Jasperneite, Gemeindereferentin

 

Wenn Sie diese Gedaken hören möchten, finden Sie hier die Audio Datei: (Gedanken 12. So i JahrKr, Audio 4 MB)


 

„Brot des Lebens – Fronleichnam“

Predigt Impuls Fronleichnam 2021

Fronleichnam ist wohl eines der Feste mit denen Menschen am wenigsten was anfangen können. Es wird auch als „Hochfest des Leibes und des Blutes Christi“ bezeichnet. Das Wort Fronleichnam stammt aus dem Mittelalter und umfasst zwei Worte: „lichnam“ bedeutet nicht Leichnam, sondern in der Ursprungsbedeutung „lebendiger Leib“. 
Und das Wort „vron“ bedeutet „Herr“. Es geht also um etwas Lebendiges. Noch genauer um den „lebendigen Leib des Herrn“.

Verständlicher wird das Fest dadurch aber auch nicht. Wenn wir Fronleichnam verstehen wollen, müssen wir zurückgehen zum Gründonnerstag. Jesus feiert mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl. In diesem Jahr hören wir an Fronleichnam im Evangelium, wie die Jünger das Paschafest vorbereiten. Im Markusevangelium heißt es dann weiter: „Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib.“ (Die Bibel, Markusevangelium Kapitel 14, Vers 22) Und das heißt doch, dass Jesus Christus dieses Brot ist. In der Wandlung glauben wir Christen, dass die Hostie zu diesem Brot wird.

Ganz ehrlich? Jetzt wird es noch unverständlicher.  Versuchen wir doch mal einen Zugang über das Brot. Brot – jeden Tag essen wir Brot. Dazu einige Fakten: Private Haushalte in Deutschland kaufen im Jahr rund 1.681.000 Tonnen Brot. Jeder Deutsche kauft demnach im Schnitt 45,5  mal Brot, d.h. pro Kopf 21,2 kg Brot. Durch den Wandel der Gesellschaft werden darüber hinaus viele Snacks verzehrt, die meisten davon auf Basis von Brötchen oder Brot, was in den Zahlen nicht berücksichtigt ist. Das Deutsche Brotregister des Deutschen Brotinstituts verzeichnet derzeit über 3.000 unterschiedliche Brotspezialitäten, die täglich in Deutschland gebacken und verkauft werden. Vermutlich liegt die Zahl noch höher. 
 

Die Menschheit ernährt sich seit mindestens 30.000 Jahren von Getreidebrei, der seit rund 22.000 Jahren auch gebacken wird. Der Anbau von Getreide wurde erst vor rund 11.000 Jahren „erfunden“.  Bis dahin waren die Süßgräser wild wachsend: Die Menschen wurden wegen des Brotes sesshaft! Bis vor 6.000 Jahren gab es nur Fladenbrote. Erst dann haben die Ägypter den Sauerteig erfunden und heiße Backtöpfe über den Teig gestülpt, sodass das Brot aufgehen konnte. Seitdem kennt die Menschheit auch Brotlaibe. Soweit die Fakten. Brot ist ein Lebensmittel, also ein Mittel zum Leben. Es stärkt uns, stillt unsern Hunger, gibt uns Kraft. Wenn ich Brot teile, dann schafft es Gemeinschaft.

Der brasilianische Theologe Leonardo Boff, ein südamerikanischer Befreiungstheologe, spricht in seinem Buch „Kleine Sakramentenlehre“ von allen möglichen Dingen, die für uns zum Heiligen Zeichen, zum Sakrament werden können. Als Beispiel erzählt er von seiner Mutter, die in der armen, vielköpfigen Familie selbst Brot gebacken hat. Sie knetete den Teig mit ihren starken Armen, die Geschwister stibitzten immer ein wenig. Wenn das Brot dann frisch gebacken duftete, versammelten sich alle wie vom Magnet gezogen an dem großen Tisch. Mutter schnitt ein großes Kreuz in den Laib. Und dann wurde er gebrochen, nie geschnitten, sondern gebrochen und geteilt. Nie empfanden sie sich mehr als Gemeinschaft und Familie. Als die Eltern gestorben waren, übernahm die älteste Schwester das wichtige Amt. Es war zwar dann eine Großstadtwohnung und ein Elektroherd, aber wie früher saßen sie um den Tisch herum, und das Brot war unvergleichlich. Es roch, es schmeckte wie kein Brot in der Welt, denn es schmeckte nach Mutter, nach Vater, nach Geborgenheit und Gemeinschaft. Es wurde zum heiligen Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit und Liebe.

Und auch Jesus wusste, wie seine Eltern kämpfen mussten, um ihre Kinder und sich selbst satt zu bekommen. Er wusste, wie existentiell die Brotfladen waren, die seine Mutter Maria und die anderen Frauen jeden Tag irgendwie schafften, wieder herbei zu zaubern.

  • Brot berührt tief unsere Existenz und Sicherheit.
  • Jesus berührt tief unsere Existenz und Sicherheit.


Brot war für Jesus und für jeden tief gläubigen Juden noch mehr: Es war die Erinnerung daran, dass Gott in der Zeit der Wüstenwanderung für das Brot sorgte, das Manna. In der Zeit der Kargheit, der Not, der Zweifel bedeutete es das Aufgehobensein bei Jahwe, dem „Ich bin da.“ Es bedeutete Vertrauen und zärtliche Sorge Gottes, denn man durfte es nur für einen einzigen Tag auflesen, sonst verdarb es.

  • Brot ist Geschenk von Gott.
  • Jesus ist Geschenk und gesandt von Gott.

Und Brot war für Jesus auch das Passahbrot. Das Haus wurde und wird auch heute vor dem Passahfest gescheuert und geschrubbt. Kein Krümel des alten Brotes oder des Sauerteiges durfte übrig bleiben. Und so war das Passahbrot ungesäuert, rein, neu. Es war das Brot der Freiheit. Man dachte an den Auszug aus Ägypten. Und wenn das Brot in der Familie gesegnet und gebrochen wurde, dann fühlte man sich als Teil des Volkes, das immer wieder um seine Freiheit ringt und als Schwestern und Brüder das Leben teilt.

  • Brot ist Freiheit und Gemeinschaft
  • Jesus schenkt innere Freiheit von äußeren Zwängen und seine Freundschaft.


Brot war für Jesus etwas Zentrales. Deshalb wählt er es als Zeichen für die innigste Verbindung mit seinen Freunden und Freundinnen. Das Passahmahl deutet er neu in noch größerer Tiefe. Er will sie und uns mit hineinnehmen in den Sog der Liebe, den er so radikal, überwältigend und mitreißend von Gott her erlebt. Er weiß, er ist für viele Menschen das Brot, Stärkung, die Wegzehrung in die Freiheit geworden. Selbst der Tod als unsere letzte und dunkle Grenze wird nicht das Ende sein. Das wird er bezeugen.

  • Gebrochenes Brot ist Zeichen der Liebe.
  • Jesus lässt sich brechen für uns.


Und all das ist für mich die verwandelte Hostie, der Leib Christi.

Wenn mir die Hostie bei der Kommunion in die Hände gelegt wird, dann staune ich immer, dass Gott sich in meine Hände legt. Gott macht sich klein, schutzlos, be-greifbar, an-greifbar.  Ja, und mehr noch, er kommt mir so nah, dass jede meiner Körperzelle von ihm erfüllt wird. Und so ist er immer noch in mir, wenn ich die Kirche wieder verlasse und zurück gehe in meine Familie, in meinen Beruf, in meinen Alltag.

An Fronleichnam ziehen wir mit der verwandelten Hostie in einem „Vorzeigegefäß“, der Monstranz durch die Straßen unserer Stadt und segnen damit die Gläubigen. Eigentlich geschieht dies nach jeder Messe, denn jeder, der den Leib Christi empfangen hat, ist solch eine Monstranz und wir sollen zum Segen werden für die Menschen und die Welt.
Im 1 Korinther Brief heißt es: „Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid?“ (1 Kor 3, 16)
Gott wohnt in mir. Das kann mir Kraft und Stärke zum leben geben.

Brot, das zum leben stärkt. Brot, das mich leben lässt.

Tiefer kann sich Gott den Menschen nicht schenken.

Wenn Jesus sagt: „Nehmt, das ist mein Leib“, sagt er nichts anderes als: Ich lasse dich, meinen Freund, dich, meine Freundin niemals im Stich, auch nicht im Tod und darüber hinaus. Wir werden in Freiheit leben, und ich möchte dich Tag für Tag nähren. So will es der liebende Gott. Lass dich auf mich ein.

Das ist für mich Fronleichnam, das ist für mich der „lebendige Leib des Herrn“.

© Monika Winzenick 
Gemeindereferentin und Christliche Wegbegleiterin

Wenn Sie diese Gedanken hören möchten, finden Sie hier die Audiodatei: Gedanken zu Fronleichnam (Audio, 3,8 Mb)

 

Gedanken zum Evangelium am 10. Sonntag im Jahreskreis

Uneinigkeit schwächt (Mk 3,25)

Wir spüren es an uns selbst, wenn wir uneins mit uns selbst sind, fällt es uns schwer, z.B. Gesund zu leben. Wenn ich abnehmen will oder mir das Rauchen abgewöhnen will, dann wird es für mich leichter, wenn ich mit mir in dieser Entscheidung ganz eins bin und nicht unsicher auf die Zigaretten oder die Torte blicke. So wird schnell einmal kein Mal und auf einem Bein raucht es sich nicht so gut und Torten schmecken am Besten in der vollendeten Zahl von drei Stück. Bin ich mir aber meiner selbst gewiss bleibt es bei dem „kein Mal“ ohne einmal. Kurz gesagt, dann fällt es mir leichter konsequent zu sein.

Im Gemeinschaftsleben eins zu sein, ist da noch schwieriger. So wie ich mit mir selbst nicht unbedingt einer Meinung bin, sind die Meinungen in der Familie schon vielfältiger und in der Nachbarschaft noch mehr und im Dorf erst recht. Das muss ja auch so sein, wir sind ja auch verschieden so ist z. B.  jeder  in anderen Verhältnissen groß geworden und bringt andere Begabungen mit. Bei aller Unterschiedlichkeit kann es aber dennoch zu einer Einigung kommen, wenn alle mit einem gemeinsamen Beschluss oder zumindest Kompromiss leben können. Das aber wird zunehmend schwerer.

Ein Blick in die Bibel zeigt, dass Jesus dieses Problem kennt. Ein Reich oder eine Gemeinschaft, die mit sich uneins ist hat keinen Bestand. „Wenn eine Familie in sich gespalten ist, kann sie keinen Bestand haben.“ (Mk 3,25) Und das ist für Jesus keine Theorie; kurz nach dem er das gesagt hat, steht seine eigene Familie vor der Tür, um ihn heim zu holen „denn sie sagten: Er ist von Sinnen.“ Hier macht Jesus die schmerzvolle Erfahrung, dass er mit einem Etikett versehen („Er ist von Sinnen“) kein Gespräch mehr möglich ist und nur noch Gewalt. Haben die Verwandten von Jesus ihn wirklich verstehen wollen? Vermutlich nicht. Denn wer sich auf Jesus einlässt und hinterfragt seinen Standpunkt oder seinen Lebensstil, um zu einem besseren Leben der Gemeinschaft beitragen zu können. „Gott lieben über alles und den Nächsten lieben wie sich selbst.“ Allein dieses Gebot ändert mich Tag für Tag. Will ich das? Gott lieben? Oder gar den Nächstbesten, der vor meiner Haustür steht?

Jesus schaut seine Jüngerinnen und Jünger an. Er versteht Familie als gemeinsames Handeln oder zumindest ein gemeinsames Ziel im Handeln:  Als seine Familie vor der Tür steht, schaut er seine Jüngerinnen und Jünger an (ich fühle für mich eine Aufforderung in diesem Blick) und sagt: „Wer den Willen meines Vaters tut ist für mich Schwester und Bruder …!“ Lassen wir die Etikettierungen des anderen doch weg, denn gemeinsames Handeln hilft uns zu einem guten Leben in der Gesellschaft und mit der Natur.  Zumindest das gemeinsame Ziel, dass es allen gut geht in der Gesellschaft und mit Gottes Schöpfung, hilft uns zu einem gesunden Miteinander.

Ihr Pastor Erik Richter

Wenn Sie diese Gedanken hören möchten, finden Sie hier die Audiodatei: Gedanken 10. So JahrKr (Audio 4,2 Mb)