v. Bernadette Klens
Zumeist an einem Dienstagabend treffen sich die Mitglieder des sogenannten Pastoralverbunds-Ausschusses im Pastoralverbund Schmallenberg- Eslohe im Schmallenberger Pfarrhaus. Anwesend sind jeweils zwei Vertreter/innen der Pfarrgemeinderäte und Finanzausschüsse aus den fünf pastoralen Bereichen Dorlar-Wormbach, Esloher Land, Fredeburger Land, Schmallenberger Land und Wilzenberg. Dazu kommen berufene Mitglieder, der Dekanatsreferent, der Leiter des Referates Räte-Arbeit des Erzbistums, eine Mitarbeiterin der Universität Paderborn, und aus dem Pastoral-Team der verantwortliche Leiter und eine Gemeindereferentin.
Die Atmosphäre ist immer geprägt von einer hohen Bereitschaft, Mitsorge zu tragen für das Leben in den 28 Gemeinden und von einer großen Offenheit im Gespräch. Unterschiedliche Projekte und Initiativen hat der Ausschuss schon verantwortlich mitgestaltet: eine fundierte Pastoralvereinbarung ist verabschiedet worden, die intensive Vorbereitung der PGR-Wahlen 2017, besondere Akzente an den Christkönigssonntagen in St. Alexander, Schmallenberg, Diskussionen über die Gottesdienstordnungen und vieles mehr. Die Mitarbeit seitens des Generalvikariates und des Dekanates ist ein Beleg dafür, dass sich der Pastoralverbund entschieden hat, an einem Modellprojekt des Erzbistums teilzunehmen, in dem es um eine stärkere Mitverantwortung und Anteilnahme an Gemeindeleitung durch ehrenamtliche Gemeindemitglieder geht. Die Bistumsleitung möchte hier Erfahrungen sammeln für die konkrete Umsetzung des sogenannten Zukunftsbildes.
Und dieser Schritt wird notwendiger denn je! Denn eines macht auch vor unseren Sauerländer Kirchengemeinden nicht halt: Die Zahl der Gottesdienstbesucher geht seit den 1950iger Jahren kontinuierlich zurück. Die Priesterseminare haben leere Flure, bei den Gemeindereferenten/ innen sind die Bewerberzahlen ebenfalls stark rückläufig. Auch das ehrenamtliche Engagement verändert sich. Die Übernahme langfristiger Aufgaben wird bedingt durch berufliche und familiäre Faktoren nicht leicht. Auch die demographische Entwicklung in unseren Orten wird hier zunehmend eine Rolle spielen. Welche Schritte führen in die Zukunft, wirken einladend auf Christinnen und Christen im 21. Jahrhundert, sich zu versammeln, um ihre Hoffnungen und Freuden, ihre Trauer, ihre Fragen und ihr Engagement – ihren Glauben und ihr Leben zu teilen?
Auf keinen Fall hilft ein trotziges „Weiter so“ und eine abwartende Haltung! Die Strahlkraft der frühen Kirche ergab sich nicht aus der Erfüllung der Ebenen eines Strukturapparates. Risikobereitschaft und Experimentierfreude waren u.a. ihre Kennzeichen und es wurde dabei heftig gestritten über das, was Wahrheit ist. Da fehlt mir heute manchmal der Glaubensmut
… wir haben doch einen Gott an unserer Seite, von dem in der Verkündigung gesagt wird, dass er uns annimmt – auch wenn wir Fehler machen … Die biblischen Bilder für die Kirche, wie „Volk Gottes“, „Leib Christi“ oder „Tempel des Heiligen Geistes“ sind die Grundlage für ein altes Fundament unserer Gemeinden, das in den Pastoralkonzepten neu entdeckt wird: Alle Christen sind aufgrund ihrer Taufwürde in gleicher Weise berufen und gesandt. Das erfordert ein Neudenken der Rollen aller in der Pastoral und Seelsorge Beteiligten. Natürlich wird das manch schmerzhaften Prozess nach sich ziehen und löst auch Ängste aus. Aber was bedeutet dies nun im Hinblick auf die Arbeit am Modellprojekt für die Schmallenberger und Esloher Pfarrgemeinden?
Zunächst der Blick auf die Pfarrgemeinderäte vor Ort
Mittlerweile arbeiten sie ohne Hauptamtliche, die nur bei besonderen Fragestellungen hinzugezogen werden. Selbstständig und selbstbewusst treffen sie Entscheidungen für das Gemeindeleben vor Ort. Wir bestärken sie darin, nicht alte Aufgabenkataloge abzuarbeiten, sondern auf ihre Fähigkeiten zu schauen. Viel Vertrautes trägt heute nicht mehr. Gottesdienstformen, die Arbeit der Caritas und der Verbände, Wege in der Sakramentenpastoral und der Verkündigung unterliegen einem großen Wandel. Die PGR-Mitglieder werden ermutigt, das zu tun, was sie mit ihren Ressourcen leisten können. Sie nehmen Leitung wahr, indem sie entscheiden, welche Schritte in den drei Gemeindegrundfunktionen vor Ort gegangen werden, viel Traditionelles wird dabei „sterben“. Das beinhaltet Konfliktpotential… „das war doch immer so“… Da gilt es seitens der Hauptamtlichen die Prozesse gut zu begleiten und auch mit den Gesamtpfarrgemeinderäten zu beraten. Natürlich wird es bei Planungen z. B. für die Eucharistiefeiern nicht ohne Zusammenarbeit mit den Priestern gehen und auch so manch andere Frage erfordert einen guten Informationsfluss zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. Aber seien wir ehrlich, wie viel ehrenamtliche Mitverantwortung an Leitung wird schon seit Jahren in den Gemeinden, vor allem auch durch Frauen wie selbstverständlich übernommen!
Die Kirchenrechtler werden in Zukunft vielleicht die Facetten des Leitungsverständnisses noch einmal unter die Lupe nehmen müssen. Ich möchte nicht an den Grundfesten der katholischen Kirche rütteln und den Leitungsdienst der Priester in den Eucharistiefeiern in Frage stellen, aber im Bereich der direkten Gemeindeleitung werden Veränderungen kommen müssen.
So vertraue ich darauf, dass das Modellprojekt für unseren Pastoralverbund dazu führt, dass wir zukünftig eine ganz bunte Landkarte mit sehr unterschiedlich besetzten Gremien haben werden, die aber eines eint: Mit Glaubensfreude und Glaubensmut gestalten sie die Kirche vor Ort im Rahmen ihrer zeitlichen Möglichkeiten, auch wenn es zahlenmäßig keine starken Gruppierungen sind. Sie werden akzeptiert und unterstützt durch die Gemeindemitglieder und erfahren eine Bestärkung und eine gute Begleitung in ihrem Tun durch die Hauptamtlichen. Zudem werden Bewegungen und Initiativen entstehen, die nicht an einen bestimmten Gemeindeort gebunden sind, die aber vielleicht durch eine besondere Spiritualität geprägt sind oder einen caritativen Aspekt umsetzen.
Der Blick auf die Gesamt-Pfarrgemeinderäte
Hier treffen sich die Vertreter der örtlichen PGRs um, pastorale Felder zu vernetzen. Sie tun dies dezentral in den fünf schon genannten pastoralen Bereichen. Dinge, die im Kleinen nicht mehr geleistet werden können, können eventuell gemeinsam angegangen werden oder es gilt, neue Schwerpunkte abzusprechen wie Akzente in der Fasten- oder Adventszeit, in der Vorbereitung auf die Sakramente, Prozessionsordnungen, Pilgerangebote, Jugendprojekte und vieles andere
…Welchen Zulauf und welches Interesse erfahren mittlerweile die Angebote des Spirituellen Sommers, der von Netzwerk „Wege zum Leben“ verantwortet wird. Für den Bereich unserer Gemeinden unterstützt die Christliche Wegbegleitung viele Angebote. Manch alte Andachtsform verschwindet mittlerweile aus den Gottesdienstordnungen, aber Mondscheingottesdienste in Wormbach und Angebote an den verschiedenen Kunstinstallationen, aber auch besonders gestaltete Führungen mit geistlichen Impulsen in unseren wunderschönen Kirchen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Der Blick auf den Pastoralverbunds-Ausschuss
Ganz einfach: Hier laufen die Fäden zusammen und durch die Mitarbeit der Vertreter der Finanzausschüsse ist auch die Arbeit der Kirchenvorstände und die Verwaltung unseres großen Raumes im Blick. Dies im Einzelnen zu beschreiben, würde an dieser Stelle aber einfach zu weit führen, wenn auch in diesem Bereich ähnliche Prozesse ablaufen. Wie schon eingangs betont: die Frauen und Männer, die hier mitarbeiten, zeigen ein hohes Verantwortungsgefühl.
Der Blick auf das Pastoral-Team
Was sind die Schlüsselthemen der Menschen heute? Sind das auch die Fragen der Kirche von heute? Als Priester und Gemeindereferenten/innen haben wir die Aufgabe, die Veränderungsprozesse in unseren Sauerländer Pfarrgemeinden aufmerksam zu begleiten. Das erfordert hier in unserem ländlichen Raum häufig einen anderen Blickwinkel als z. B. im Ruhrgebiet. Als Hauptamtliche benötigen wir mehr denn je die Grundkompetenz, Menschen
in den Gemeinden zu bestärken und ihre Charismen zu fördern.
Kommunikation auf Augenhöhe ist dabei unabdingbar. Wie weit werden wir sein, wenn 2021 das Modellprojekt „Ehrenamtliche Mitverantwortung“ zunächst abgeschlossen wird? Zurzeit sind übrigens fünf Pastoralverbünde bistumsweit daran beteiligt.
Persönliches Fazit
Zu Beginn meiner Dienstzeit mit der Beauftragung für nur „eine“ Gemeinde habe ich nicht geahnt, wie stark sich die berufliche Rolle in einem für die Kirchengeschichte doch kurzem Abschnitt verändern wird, geschweige denn, dass ich z. B. mittlerweile als Frau schon manches Mal auf einem Sauerländer Friedhof stehe, um den Beerdigungsdienst zu übernehmen. Mein Gott-Vertrauen war all die Jahre die Motivation meines Handelns und ich traue diesem Gott und seiner Kirche noch einiges zu …
Empfehlend weise ich in diesem Zusammenhang auf die Festschrift „In verbo autem tuo, Domine / Auf dein Wort hin, Herr“, die im Schöningh-Verlag auf Veranlassung der Theologischen Fakultät Paderborn anlässlich des 70. Geburtstages von Erzbischof Hans-Josef Becker herausgegeben worden ist. Dort hat Jörg Seip, Bonner Pastoraltheologe, einen Artikel veröffentlicht zum Thema: Pastorale Räume denken. Einführung in einen Theologiewechsel.
Dieser Text von Bernadette Klens wurde zunächst veröffentlicht in der Zeitschrift "Sauerland" des Sauerländer Heimatbundes; Ausgabe 03/2018 im September 2018