Von Anfang an war die Auferstehung Jesu der Knackpunkt unseres christlichen Glaubens. Wer glaubt daran, dass der Tod nicht das Letzte im Leben eines Menschen ist? Das neue Leben nach dem Tod, die Neuschöpfung beweisen, kann niemand von uns - auch kein Papst.
Dass dieser Glaube da ist, ist das nicht schon ein Hinweis, dass es Auferstehung damals gegeben hat und auch heute gibt? Ich persönlich glaube, dass damals etwas geschehen sein muss, das alles mit neuen Grundlagen hat erfahren lassen: Das Leiden Jesu war nicht absolut sinnlos; seine Worte blieben auch nach seinem Tod mächtig;
der Jüngerinnen- und Jüngerkreis blieb zusammen in einer neuartigen Gemeinschaft, in der Frauen gleichberechtigt waren, in der Kinder geachtet wurden und in der Männer auch schwach sein durften. Denken wir nur an Maria Magdalena, an die Forderung in den Paulusbriefen, die Kinder zu lieben, und an Thomas.
Thomas und sein Glaube an die Auferstehung ist in diesem Text niedergeschrieben worden. Was sagen Bezeichnungen wie „gläubig“, „ungläubig“ oder „zweifelnd“ aus? Es sind wohl nur sehr grobe Eckpunkte einer bewegten Geschichte. Schon früher im Johannesevangelium erfahren wir von Thomas, dass er ein Suchender ist: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“ (Joh 14,6) Am Ende weiß man gar nicht, wie es dazu kam, dass er tatsächlich gefunden hat, was er suchte. Vielleicht weiß Thomas es selbst nicht. Aber am Ende spricht Thomas es laut und deutlich aus: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28)
Das gesamte Johannesevangelium von Anfang bis Ende - nicht nur die Thomas-Geschichte - läuft im Grunde auf diese Aussage hinaus: „Mein Herr und mein Gott.“ Ursprünglich hört das Evangelium danach auf. Nirgendwo, sagen Bibelexperten, kommt das Bekenntnis zu Jesus Christus theologisch so klar und präzise zum Ausdruck. Es ist die höchste Aussage, die das Evangelium über Jesus Christus macht. Aber vielleicht geht es am Ende nicht einmal darum.
Manche Theologen (wie Tomáš Halík) warnen davor, diesen Ausruf des Thomas als theologische Lehrformel anzusehen. „Mein Herr und mein Gott“ - das sei keine theologische Formel, es sei ein Seufzer. Was aber hieße es, diesen Ausruf lebendig und dynamisch zu halten und ihn nicht zur starren Theorie festwachsen zu lassen? Ich glaube, es gibt Momente, in denen ein Mensch unerwartet überzeugt ist und es erfährt, dass Gott da ist, dass er lebendig ist, dass er einen neue Dynamik auslöst.
- Es ist der Moment, in dem Maria Magdalena sich vom Grab umdreht und sieht, dass der vermeintliche Gärtner Jesus ist, und ihr ein liebevolles „Rabbuni“, „mein Meister“, „mein Lehrer“, über die Lippen kommt.
- Es ist der Moment, in dem die Emmaus-Jünger am Tisch sitzen und beim Brotteilen ihr Herz stolpert, ja brennt.
- Es ist der Moment, in dem es aus Thomas herausplatzt: „Mein Herr und mein Gott“. Für einen Moment ist es glasklar und fraglos. Auferstehung Jesu gibt es. Nähe Gottes ist da.
Die Thomas-Szene beschreibt den Moment des Erkennens der Auferstehung sehr nüchtern. Sie lässt offen, ob eine Berührung stattgefunden hat - vielleicht weil es ein Moment ist, der nicht zu fassen war.
Dieser Text macht vor allem deutlich, dass wir den Glauben nicht von solchen Momenten abhängig machen sollten. Schließlich heißt es: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Thomas hatte seine Glaubensgeschichte. Wir haben unsere eigene. Allen wie auch immer glaubenden Menschen gemeinsam ist wohl nur, dass der eigene Glaube niemals stillsteht. Er bewegt sich irgendwo auf dem weiten Feld zwischen „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ und „Mein Herr und mein Gott!“.
In den Kar- und Ostertagen haben wir diese ganze Bandbreite durchmessen. In der kurzen Begegnung zwischen Thomas und Jesus im heutigen Evangelium kommen alle Wegpunkte noch einmal vor: Hinterfragen, Ablehnen, Glauben-Sollen, Glauben-Wollen, mehr oder weniger Glauben-Können.
Wie geht es mir persönlich damit? Mit dem Glauben an die Auferstehung?
- Ich sehe das absolute Nichts, wenn ein Mensch stirbt, tot daliegt, unschuldig leiden und sterben muss oder willkürliche Mächte das Leben von Millionen von Menschen auslöschen. Wo ist da Leben, Neuschöpfung, Auferstehung? Ich sehe nichts davon.
- Als Priester und Vertreter der an die Auferstehung glaubenden Kirche soll ich daran glauben. Ich habe die Botschaft zu verkünden als frohe Botschaft, die die Menschen aufrichtet, wie Jesus Menschen in der Begegnung mit ihm aufgerichtet hat. Jede gelungene mitmenschliche, ehrlich-respektierende Begegnung ist Auferstehung in dieser Welt und ein Vorausbild der anderen Welt. So sollte es sein in der Kirche und durch das, was wir als Kirchengemeinschaft für alle Menschen tun.
- Seit jugendlichen Tagen will ich daran glauben und es hat mich motiviert ganz in die Kirche einzusteigen mit dem Priesterberuf. Wie gerne haben wir damals die Kar- und Ostertage begangen - nicht allein, sondern mit vielen Gleichgesinnten die Nacht durchwacht.
- Heute glaube ich mehr oder weniger daran. Das Weniger habe ich vorhin schon ausgesprochen. Das Mehr daran glauben sind Momente, die aufleben lassen: Wenn ich aufgefangen werde durch andere; wenn Liebe auch über den Tod hinaus lebt; wenn religiöse Zeichen wie Berührungen aus dem Lebensbereich Jesu sind - also ein Segen.
Mal bekenne ich innerlich: Mein Herr und mein Gott, du bist da und das tut gut. Mal frage ich mich: Mein Herr und mein Gott, bist du da? Immer bleibe ich unterwegs als Nicht-Sehender und doch Glaubender, als einer, der die Auferstehung niemals beweisen kann, sie aber dennoch glaubt. Warum?
Weil der Glaube an die Auferstehung Jesu mich motiviert lebendig zu bleiben, Jesus als Lehrmeister zu haben und nicht schon lebend tot zu sein. Amen.
Ihr Pfr. Georg Schröder
(nach einer Vorlage von Stefan Walser, Prediger und Katechet, 11.4.2021, stark verändert von Georg Schröder)
Wenn sie diese Gedanken hören möchten, finden Sie hier die Audiodatei: Gedanken 2. Ostersonntag (Audio, 3,3 MB)